Johann “Rukeli” Trollmann

* 27.12.1907 Wilsche; † 9.2.1943 KZ Neuengamme oder 1944 KZ-Außenlager Wittenberge; Gebiet: Deutschland

Johann Wilhelm Trollmann, genannt „Rukeli“ (Sintitikes für „Bäumchen“, „junger Baum“), war einer der größten und interessantesten Boxer im Deutschland der frühen 1930er Jahre. Boxen zählte damals allgemein zu den populärsten Sportarten.

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Galerie
Johann "Rukeli" Trollmann
Johann "Rukeli" Trollmann
Als Amateurboxer (4. von links)
Als Amateurboxer (4. von links)
Boxclub Sparta Hannover-Lindenm Deutscher Meister 1929 (Rukeli 3. von links)
Boxclub Sparta Hannover-Lindenm Deutscher Meister 1929 (Rukeli 3. von links)
Rukeli in Pose
Rukeli in Pose
Ein "deutscher Boxer" steht nach Nazisprech seinen Mann und prügelt ohne Zurückzuweichen drauf los. Rukeli Trollmann ist zu klug und zu gut, um sich auf bloß dieses im Boxen reduzieren zu lassen. Er tänzelt seine "echt deutschen" Gegner zumeist nach Belieben aus und verdrischt sie mit Finesse und Style
Ein "deutscher Boxer" steht nach Nazisprech seinen Mann und prügelt ohne Zurückzuweichen drauf los. Rukeli Trollmann ist zu klug und zu gut, um sich auf bloß dieses im Boxen reduzieren zu lassen. Er tänzelt seine "echt deutschen" Gegner zumeist nach Belieben aus und verdrischt sie mit Finesse und Style
Trollmann als Profiboxer mit dem für Boxer obligatorischen Anzug
Trollmann als Profiboxer mit dem für Boxer obligatorischen Anzug
Wikipedia weiß: Trollmann wurde 2003 offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht vom Bund Deutscher Berufsboxer e.V. (BDB) in die "Riege der Deutschen Meister" aufgenommen. Allerdings weigerte sich der BDB einen Meistergürtel symbolisch an seine noch lebenden Verwandten Louis und Manuel Trollmann zu überreichen. Daraufhin fertigten der Manager und Matchmaker Olaf Schröder sowie die Promoterin Eva Rolle auf eigene Kosten einen Gürtel an, welcher der Familie Trollmann dann am 18. Dezember 2003 im Rahmen einer kleinen Boxveranstaltung in Berlin im Beisein des Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, und etlichen Überlebenden des Holocaust überreicht wurde
Wikipedia weiß: Trollmann wurde 2003 offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht vom Bund Deutscher Berufsboxer e.V. (BDB) in die "Riege der Deutschen Meister" aufgenommen. Allerdings weigerte sich der BDB einen Meistergürtel symbolisch an seine noch lebenden Verwandten Louis und Manuel Trollmann zu überreichen. Daraufhin fertigten der Manager und Matchmaker Olaf Schröder sowie die Promoterin Eva Rolle auf eigene Kosten einen Gürtel an, welcher der Familie Trollmann dann am 18. Dezember 2003 im Rahmen einer kleinen Boxveranstaltung in Berlin im Beisein des Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, und etlichen Überlebenden des Holocaust überreicht wurde
Trollmann am punching ball
Trollmann am punching ball


Stolperstein für Rukeli Trollmann
Stolperstein für Rukeli Trollmann
In Berlin Kreuzberg ist eine Sporthalle nach Johann Trollmann benannt; in seiner Heimatstadt Hannover gibt es den "Johann Trollmann Weg"
In Berlin Kreuzberg ist eine Sporthalle nach Johann Trollmann benannt; in seiner Heimatstadt Hannover gibt es den "Johann Trollmann Weg"
Andenken beim Eingang der Sportschule
Andenken beim Eingang der Sportschule
Hamburg 1933, Rukeli besiegt Fred Bölck in der zweiten Runde durch technisches k.o.
Hamburg 1933, Rukeli besiegt Fred Bölck in der zweiten Runde durch technisches k.o.

Wie ein junger Baum

1938 saßen 70.000 Zuschauerinnen im Yankee Stadion in New York City und 100 Millionen vor den Radioapparaten auf der ganzen Welt, um den Kampf zwischen Joe Louis und Max Schmeling mitzuerleben. In Deutschland träumte Hitler von einer Art „arischem“ Boxen und fand, der „deutsche Faustkampf“ sei gerade die richtige Leibeserziehung für alle deutschen Jungen. Die Deutschen sollten boxen lernen, wie vorher und nachher niemand boxen wollte: Deutsche Faustkämpfer sollten stehend boxen, Fuß an Fuß ohne Beinarbeit, die Gegner sollten reinhauen, bis einer umfällt. Zu treffen und nicht getroffen zu werden ist das Ziel jeder boxerischen Ausbildung weltweit bis zum heutigen Tag. Um nicht getroffen zu werden, lernen die Boxerinnen, beweglich zu sein, niemals stillzustehen und kein festes Ziel zu bieten. Sie verschrauben ihre Körper beim Schlagen, sie bewegen sich mit diagonal versetzten Füßen und halten die meiste Zeit nur mit den Fußballen Kontakt zum Boden, um jederzeit in alle Richtungen verschwinden und wieder angreifen zu können. Sie lernen, den Angriffen des Gegners blitzschnell auszuweichen und die Schläge in Paraden abzuwenden. Sie lernen, Angriffe anzudeuten, den Gegner zu irritieren, Strategien zu planen und umzusetzen. Sie können noch in der Rückwärtsbewegung Wirkungstreffer landen. Johann „Rukeli“ Trollmann hatte mit acht Jahren in Hannover regelmäßig im Verein zu trainieren begonnen und konnte das alles.

Die Geschichte des deutschen Sinto Johann „Rukeli“ Trollmann findet seit gut zehn Jahren auf außergewöhnliche Weise weltweit Beachtung. Trollmann war einer von vielen erfolgreichen Boxern, die in den Vernichtungslagern der Nazis geschunden wurden und zugleich einer mit größtem Potenzial: Er hatte das Zeug zum Weltmeister. Menschen, die ihn als Boxer gesehen hatten, fühlten sich, als sie Jahrzehnte später -mitten in der Nacht die Kämpfe von Muhammad Ali („Float like a butterfly – sting like a bee“) im Fernsehen sahen, an Trollmann erinnert. Dass die Aufmerksamkeit, die die Geschichte Trollmanns seit einiger Zeit erfährt, so groß ist, ist vor allem der Überlieferung eines bestimmten Moments in dessen Leben zuzuschreiben.

Trollmann habe sich, die längste Zeit schon von den neuen Machthabern dazu gedrängt, „deutsch“ zu boxen und seine technischen und taktischen Fähigkeiten zu unterdrücken, vor seinem Kampf am 21. Juli 1933 die Haare gebleicht und seine Haut mit weißem Pulver eingerieben. Es ist die Rede von Wasserstoffperoxid, Mehl oder auch Magnesiumcarbonat. Interpretiert wird diese theatralische Aktion als Witz, als Karikatur des deutschen Faustkämpfers, als Verhöhnung der Macht. Eine tolle Story. Dieser Stoff wird in Romanen, Filmen und Theaterstücken ausgebreitet, eignet er sich doch wirklich super zur Heroisierung in linker Geschichtsschreibung. Die Begebenheit selbst ist historisch nicht belegt.

Es gibt mehrere Aspekte von Ungehorsam gegen das Naziregime, die im Zusammenhang mit Trollmanns Biografie überliefert werden. Trollmann hatte, nach jahrelanger Erfahrung damit, in seiner boxerischen Karriere aufgehalten und hingehalten zu werden, seine Chance auf den Titel des deutschen Meisters im Halbschwergewicht zugestanden bekommen. Der Titel war vakant, weil der damalige deutsche Meister, Erich Seelig, kurze Zeit vorher als Jude bedroht und vom nationalsozialistisch ausgerichteten Verband deutscher Faustkämpfer ausgeschlossen worden war. Trollmann war schon lange als Titelanwärter gehandelt worden.

Am Abend des Titelkampfes am 9. Juni 1933 wollte man noch in letzter Sekunde verhindern, dass Trollmann den Kampf gewinnen konnte. Das Kampfgericht verkündete, der Kampf sei als unentschieden zu werten. Da geschah, was ein Albtraum für die Nazis gewesen sein muss, und in der Fachzeitschrift „Box-Sport“ als Zeitdokument belegt ist: Das sportbegeistert faire Publikum, das Trollmann kannte und liebte, hatte ihn als überlegenen Boxer gesehen und randalierte derart, dass das Kampfgericht klein beigeben musste und Trollmann doch noch zum Sieger erklärte.

Nur Tage später wurde Johann Trollmann der Meistertitel mit einer fadenscheinigen Begründung wieder aberkannt. Die systematische Diskriminierung, die Roma und Sinti seit Jahrhunderten erfahren, wird in Nazi-Deutschland zum noch brutaleren Alltag. Johann Trollmanns Profikarriere nimmt ein vorzeitiges Ende. Er schlägt sich eine Zeit lang mit Rummelboxen durch, ein No-Go, das ihn endgültig seine Profi-Lizenz kostet. 1939 wird er zur Wehrmacht eingezogen und im Krieg gegen die Sowjetunion verwundet. Ab 1942 wird Trollmann in der letzten Zeit seines Lebens im KZ Neuengamme ausgebeutet – die SS schlägt Kapital aus der schweren Zwangsarbeit, die dort geleistet wird. Dass SS-Männer gegen ihn „gekämpft“ haben oder sich von ihm trainieren ließen, ist nicht dokumentiert, wird aber häufig erzählt und ist nicht unwahrscheinlich. Das Totenbuch des KZ verzeichnet Trollmanns Tod am 9. Februar 1943 wegen Herz--Kreislauf-Versagens. Die Familie erhält eine Urne mit Asche aus dem Krematorium.

Und wieder soll Außergewöhnliches geschehen sein: Es besteht die Möglichkeit, dass einzelne Häftlinge, die – zum Beispiel als Schreiber – bestimmte Funktionen im Lager auszuführen hatten, Johann Trollmann aus dem KZ Neuengamme hinaus geschmuggelt haben. Der im Totenbuch Verzeichnete könnte ein anderer als Trollmann gewesen sein und dieser unter falschem Namen noch etwas Zeit weiter gelebt haben. Zumindest deutet die im Jahr 1969 gemachte Aussage eines Überlebenden darauf hin. Dieser habe Trollmann noch 1944 im KZ-Außenlager Wittenberge gesehen und sei auch selbst dabei gewesen, wie Trollmann dort von einem Kapo erschlagen worden sei.

Seit 2003 wird Johann „Rukeli“ Trollmann endlich offiziell in der Liste der Deutschen Meister im Halbschwergewicht geführt. Seit 2004 gibt es in Hannover den Johann-Trollmann-Weg in jener Gegend, in der Rukeli und seine Familie jahrelang gewohnt haben.


Quellen und Weiterführendes

Herold, Kathrin / Robel, Yvonne (2012). Zwischen Boxring und Stolperstein – Johann Trollmann in der gegenwärtigen Erinnerung. In: Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, Heft 14. Herausgegeben von der KZ-Gedenkstätte -Neuen-gamme. Bremen: Edition Temmen. 144–155

Krauß, Martin (2012). Boxer im KZ. In: Kleist, Reinhard (2012): Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft. Graphic Novel. Hamburg: Carlsen Verlag. 185–193 Lang, Martina (2013). Zurück im Ring. Jüdische Boxer im Österreich und im Deutschland der Zwischenkriegszeit. Masterarbeit. Graz: Karl-Franzens-Universität (online unter: http://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/227422) Repplinger, Roger (2008). Leg dich, Zigeuner. Die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder. München: Piper

http://www.rukeli-trollmann.de Umfassende Website zu Ehren und in Gedenken an Johann „Rukeli“ Trollmann, erstellt und betreut von dessen Großneffen Manuel Trollmann

http://boxrec.com/en/boxer/62355 Liste der Profi-Kämpfe von Johann Trollmann. BoxRec ist das zentrale internationale Verzeichnis des Profi-Boxsports. Olympisches Boxen, also Amateur-boxen, ist hier nicht gelistet.

https://www.freie-radios.net/47105 Radiointerview mit Manuel Trollmann aus dem Jahr 2012 (22 Minuten)


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