Escrava Anastacia

* um 1740 †? Gebiet: Brasilien

Seit Jahrhunderten wird in den brasilianischen Unterschichten die Geschichte einer schwarzen Schönheit tradiert, die nicht nur als Sklavin gehalten wurde sondern auch das Gesicht hinter einer eisernen Maske verborgen halten musste.

We may be rebellious creatures

Richtig bekannt wird die Leidensgeschichte Escrava Anastacias aber erst Ende der 1960er, als in Rio de Janeiro zur Feier der 80-jährigen Abschaffung der Sklaverei im „Museu do Negro“ das Konterfei einer Sklavin ausgestellt wird, deren Gesicht in eine eiserne Maske gezwängt ist. Sehr rasch mutiert die „Sklavin Anastacia“ zur Schutzpatronin der Ausgestoßenen.

Die wahre Geschichte lässt sich aufgrund fehlender Quellen kaum nacherzählen, aber es wird davon ausgegangen, dass Anastacias Mutter aus dem heutigen Angola als Sklavin an die Portugiesen verkauft wurde und über die damalige Schaltzentrale Sao Tome im Golf von Guinea nach Bahia in Brasilien verschifft wurde. Dort angekommen, wird sie von ihrem ersten Besitzer vergewaltigt und bringt, wie es heißt, das erste in Brasilien geborene schwarze Kind mit blauen Augen auf die Welt.

Anastacia ist bereits als Jugendliche nicht nur wortgewandt und von herausragender Schönheit, sondern auch spirituelles Medium, das ihrer Gemeinschaft im Trancezustand als Brücke zu immateriellen Welten dienst. Von ihr erfahren die anderen, dass diejenigen, die kräftig genug sind, sich in die abgelegenen Quilombos, die in schwer zugänglichen Gebieten aufgebauten geheimen Niederlassungen der entflohenen Sklaven, begeben sollen. Und jene, die zu schwach für dieses Wagnis sind, sollen ab nun ihren Besitzern aufrecht, stolz und ohne Furcht in die Augen blicken.

Anastacia ist durch ihren Besitzer Joaquin Antonio regelmäßigen sexuellen Übergriffen ausgesetzt, und mehrfach schwanger, ohne jemals ein Kind am Leben halten zu können. Die weißen Damen beneiden und hassen sie, machen ihr das Dasein noch unerträglicher. Anastacia weigert sich jedoch, in entlegenen Gebieten den dringend benötigten Schutz für sich selbst zu finden und will stattdessen lieber ihren Leuten beistehen. Die Sklavenhalter kriegen ihre Aufmüpfigkeit, ihre Flüche und ihre besondere Rolle mit und beschließen - was bei den Portugiesen in der Kolonialzeit keine Seltenheit ist - ihr zur Strafe eine eiserne Gesichtsmaske und Halszwinge anzulegen. Diese Maske wird ihr nur zwei Mal am Tag für kurze Momente der Essensaufnahme abgenommen. Geschunden, erschöpft und durch das Eisen vergiftet, stirbt Anastacia nach kurzer Zeit einen derben, einsamen Tod.

Um 1820 bereist der französische Schriftsteller und Maler Etienne Victor Arago Brasilien und hinterlässt Werke, azf denen in Goldminen arbeitende Sklaven abgebildet sind, die eiserne Masken tragen – in ihrem Fall aber, damit sie keine Goldklumpen schlucken können. Arago zeichnet aber auch jenes Bildnis Anastacias, das für den seit ende der 1960er Jahre beständig größer werdenden Kult um Escrava Anastacia als Initialzündung gilt. Ohne dieses Bild wäre ihre Geschichte wohl in Vergessenheit geraten. So wird aber nach weiteren Quellen über ihr Leben geforscht. Der katholischen Kirche, die z.B. in Europa in gewohnter Manier Kriegshetzer wegen angeblicher Krampfadernheilung immer noch gerne zu Heiligen erklärt, ist diese Frau, diese spirituelle Konkurrenz in den Favelas, jedenfalls nicht geheuer und sie erklärt sie 1987 offiziell zu einer Frau, die nie gelebt hat.


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