Francesc Ferrer

*10.01.1859 Alella bei Barcelona (Spanien)†13.10.1909 Barcelona (Spanien)

Francesc Ferrer stammt aus einer streng katholischen Familie, entwickelt sich aber früh zum Gegner der Religion, im Speziellen der spanischen Staatskirche und gilt schon bald als Staats- und Kirchenfeind Nr. 1, dem das Handwerk zu legen ist. Dem gegenüber gründet er die „Escuela Moderna“, eine libertäre Reformschule.

Soldados, apuntad bien ¡Viva la escuela moderna!

Seine angewandten pädagogischen Konzepte sind radikal, am Anarchismus eines Lorenzo, Kropotkin oder Tolstoi orientiert, und sichern ihm stets einen Platz auf der Staatlichen Abschussliste. Nach der Niederschlagung einer katalanischen ArbeiterInnenrevolte, die mit all ihren Toten als „tragische Woche“ Eingang in die Geschichtsbücher findet, wird Ferrer zum Rädelsführer hochstilisiert und zum Tode verurteilt. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Jungs, trefft gut! Ich bin unschuldig. Es lebe die Moderne Schule!“

Ferrer muss bereits 1885 ins Exil flüchten, nachdem der Versuch, in Spanien die Republik auszurufen, scheitert. Als Anhänger von Ruiz Zorillas folgt er diesem als Sekretär nach Paris, wo er auch mit anarchistischen Kreisen in Berührung kommt, die ihn weitgehend prägen. Ferrer kehrt 1901, durch eine unerwartete französische Erbschaft finanziell großzügig ausgestattet, nach Spanien zurück, investiert all sein Vermögen in die Eröffnung von „Modernen Schulen“ in und um Barcelona und gründet ein kleines Verlagshaus samt Druckerei, um leicht verständliche, radikale soziale Ideen und Erkenntnisse der modernen Wissenschaften kostengünstig unter der Bauernschaft und den ArbeiterInnen verbreiten zu können. Nach anti-autoritären und weltlich-rationalen Prinzipien des Unterrichtens durch Verstehen wendet er sich gegen das von den Katholen streng geführte Schulsystem. Dass er Mädchen wie Jungs, Arme wie Reiche gemeinsam unterrichtet, ist der Kirche ein Dorn im Auge. Ein wahrer Shock ist jedoch die Tatsache, dass dadurch ihre ureigene Monopolstellung im spanischen Erziehungswesen - das übrigens eine Analphabetenrate von 50% kennt - unterwandert und durchbrochen wird.

Bereits ein Jahr später, 1902, existieren im Großraum Barcelona über 40 Moderne Schulen, 80 weitere wenden Ferrers Schriften über Gleichheit der Menschen und Verbrüderung der Gesellschaft im Unterricht an - „Keinen Göttern oder Ausbeutern soll gedient werden. Lasst uns lieber lernen, einander zu lieben.“ Der freien geistigen Entfaltung der Kinder und Jugendlichen wird durch gesunde Nahrung, frische Luft und viel Bewegung ein körperliches Fundament geboten. Körper, Geist, Verstand und Gefühl sollen eine Einheit bilden, die Individualität jedes Einzelnen gewahrt und ein selbständiges, vorurteilsfreies Denken ermöglicht werden. Ferrer spielt seinen libertären Anarchismus öffentlich bewusst herunter, konzentriert sich trotz Beschattung und Verfolgung vornehmlich auf den Aufbau einer neuen Generation. Er hetzt nicht, denn er weiß, dass seine Lehren ohnehin auf einen Umsturz hinauslaufen. Dieser sollte jedoch friedlich erfolgen. Die Erziehung ist antimilitaristisch, die Revolution soll in den Köpfen stattfinden.

Gerade an einem Karfreitag, dem 12. April 1906, organisiert Ferrer eine Großdemonstration für weltliche Erziehung. Die Behörden fühlen sich provoziert, die Kirche schäumt. Als wenige Wochen später die königliche Hochzeitsfeier durch Ferrers Verlagsmitarbeiter Mateo Morral durch einen Bombenwurf gesprengt wird, scheint das Maß voll und die Gelegenheit gekommen. Morral, der sich davor gerade der Gewaltfrage wegen von Ferrer getrennt hat, richtet sich nach dem missglückten Anschlag selbst. Ferrer aber wird , - inzwischen bereits zum dritten Mal - einer Beteiligung an einem Attentat verdächtigt, festgenommen. Die in solchen Fällen nie zimperlich agierende Kirche plädiert für eine Erschießung. Aus Mangel an Beweisen muss Ferrer schlussendlich freigelassen werden - nach mehr als einem Jahr Haft. Ferrers freie Schulen werden jedoch allesamt verboten und geschlossen.

Spanien ist Anfang des 20 Jhdts. politisch geschwächt, hat es doch gerade wieder einmal Kolonien in Übersee verloren. Diesmal fallen Puerto Rico, Kuba und die Philippinen ab. Das spanische Köngishaus und die wirtschaftliche Potenz des Landes dürstet es nach Kompensationen. Marokko wird mit Frankreich brüderlich aufgeteilt. Es geht um viel Geld im Bergbau. Die spanischen Unterschichten wollen jedoch nicht die Vorteile der herrschenden Klassen ein weiteres Mal mit dem Verlust ihrer eigenen Leben bezahlen und verweigern, gerade in Barcelona, die großangelegte Mobilmachung zur Befriedung Marokkos. Zunächst blockieren Frauen das Schienennetz, um den Abtransport der Soldaten zu verhindern. Arbeitsniederlegungen und weiterer Aufruhr sind die Folge. Kirchen werden verbrannt, Schienen gesprengt, aber die lokalen Kasernen weigern sich weitgehend, auf das Volk zu schießen. Der unkoordiniert erfolgte Aufstand bekommt jedoch keinen entscheidenden landesweiten Schwung und wird vom Militär zu einer „tragischen Woche“ zurechtgeschossen. Über 600 Tote säumen Barcelonas Strassen.

Obwohl er weder an der Vorbereitung der Aufsrände noch an der Erhebung selber teilnimmt, sich zu dieser Zeit nicht einmal in Barcelona aufhält, wird Francesc Ferrer unter dem Verdacht, ein Rädelsführer zu sein, verhaftet. Der Klerus atmet auf, diesmal wird Ferrer nicht entkommen – es herrscht das Kriegsrecht. Selbst Papst Pius X. ist entzückt und lässt dem Ankläger Glückwünsche und ein Schwert mit goldenem Griff überbringen. Ohne Beweise, ohne dass er die Möglichkeit hat, sich zu verteidigen und ohne Zeugen wird Ferrer im Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Das Urteil ruft weltweit Empörung aus, was König Alfons XIII. aber nicht daran hindert, es zu unterschreiben. Francesc Ferrer betont bis zu seiner Erschießung in der Festung Montjuich seine Unschuld.


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