Michelina De Cesare

*28.10.1841 Caspoli (Campania, Süditalien)†30.08.1868 Mignano Monte Lungo (Campania, Süditalien)

Michelina De Cesare ist eine bis heute vielbesungene süditalienische Brigantin, die während der italienischen „Vereinigung“, also zu Zeiten eines Giuseppe Garibaldi, zu einer regionalen Berühmtheit aufsteigt - nicht zuletzt ihrer fotografisch dokumentierten Schönheit wegen, jedoch vornehmlich wegen ihrem Mut und weil sie durch geschicktes Taktieren ihrer Bande von entscheidendem Nutzen sein kann. Immerhin geht es tagein tagaus um Leben und Tod, die Befriedung Italiens unter König Victor Emanuel II wird mit äusserster Grausamkeit geführt.

Meglio na buona morte ca na mala vita

Über De Cesare gibt es wenig überlieferte Fakten, die Details aus ihrem Leben sind rar. Sie stammt aus ärmsten Verhältnissen und führt von klein an regelmässig Diebstähle mit einem ihrer Brüder aus – ein Unwesen, das sogar dem Bürgermeister von Mignano eine Notiz wert ist. 20-jährig heiratet sie ihren ersten Mann, der aber bereits im folgenden Jahr unerwartet stirbt. Daraufhin lernt sie den Bandenchef Francesco Guerra kennen. Die beiden werden ein Liebespaar, heiraten heimlich und „illegal“. Michelinas Zeit als Guerilliera beginnt.

1860/61 und das gesamte darauffolgende Jahrzehnt sind jedoch keine gute Zeit für Liebesaffären und freiheitsbewußte Menschen in Italien. Die über das Königreich beider Sizilien (= Sizilien und unteritalienisches Festland; damals wie heute die ärmste Gegend Italiens) herrschenden Bourbonen können und wollen die innere politische Struktur nicht auflockern. Eine breitere gesellschaftliche Unterstützung bleibt ihnen dadurch weitgehend verwehrt und sie werden von Garibaldis Truppen, die eine Vereinigung Italiens von Sizilien beginnend nach Norden voranschießen, aus der Geschichte hinweggefegt.

Die Mehrzahl der Bevölkerung begrüßt die neuen Verhältnisse. Sogar die Briganten, die vielfach bereits durch die französische Revolution politisiert wurden, glauben zunächst an eine bessere neue Zeit. Die Vereinigung des norditalienischen Kapitals mit dem süditalienischen Großgrundbesitz bringt jedoch keine entscheidende Wende. Die Demokratisierung bleibt aus, eine Landreform findet nicht statt. Der neue modernere, bürokratischere Staat wirft schnelle Schatten - die Besteuerung wird erhöht, Zwangsrekrutierungen ausgeführt. Der Widerstand gegen die Autoritäten beginnt sich zu formieren, der „Krieg der Armen“ entfacht erneut.

Michelina agiert in Campanien, einem der Brennpunkte des Konflikts, und ist weit mehr als „die Geliebte“ des Bandenführers. Sie ist schon bald im Besitz einer Schusswaffe, ein deutliches Indiz, dass sie in ihrer Bande eine führende Stellung inne hat. Einer der bekanntesten Coups jener Zeit geht auf sie zurück – die Bande täuscht, als Soldaten verkleidet, einen Gefangenentransport vor, um einen lohnenden Anfgriff auf das Örtchen Gallucio auszuführen. Michelina kennt die Menschen und die Gegend, sie weist ihre Leute ein. Und führt sie in den Kampf. Michelina De Cesare - die „leonessa del sud“, die Löwin des Südens.

Bis zu 100.000 Mann starke Truppen versuchen die Aufständischen auszurotten. Diese haben eine geschätzte Zahl von ca. 2000 kampferprobten, berittenen Aktiven, darunter auch viele Frauen. In rund 40 Banden organisiert und vom legendären Bandenchef Carmine Donatelli Crocco koordiniert, bereiten sie der neuen Monarchie gut zehn Jahre lang, also bis etwa 1870, einen von beiden Seiten brutalst geführten, bürgerkriegsähnlichen Zustand. Eine besondere Ungeheuerlichkeit seitens der Autoritäten ist die Verabschiedung des „Pica“-Gesetzes 1863. Dieses erlaubt es, Familienangehörige der Aufständischen oder bloß Verdächtige zu erschießen. Es kommt zu zahllosen Dorfverbrennungen und Deportationen.

De Cesare („so furchtlos wie schön“) ist beim verelendeten, tagelöhnenden Volk genauso beliebt wie von der Obrigkeit gefürchtet. Und wird von den Carabinieri gehasst und gesucht. Trotzdem kleiden sich die Briganten und Brigantinnen „verwegen“ - „stolze Menschen in farbenfrohen Gewändern“, wie es heisst. Der Krieg wird auch über die Medien geführt, es kommt erstmalig zum Gebrauch von Fotografien. Auf der einen Seite werden Fotografen zu Festnahmen und Hinrichtungen geladen, auf der anderen werden die Aufständischen propagandistisch zu Ikonen stilisiert. Michelina de Cesare macht davon intensiv Gebrauch, lässt sich in traditioneller lokaler Bauerntracht ablichten, bewaffnet mit Flinte und Pistole. Sieben Jahre lang kann sie der staatlichen Ordnung Schaden zufügen, Sabotageakte und Überfälle begehen, Schutz- und Lösegelder erpressen. Schlussendlich wartet auf de Cesare der Verrat. Der Angriff auf die Bande findet nächtens und bei starkem Regen statt. Francesco Guerra stirbt durch zahlreiche Schusswunden an Ort und Stelle, während Michelina lebendig gefasst werden kann. Die folgenden Folterungen können ihr kein Wort des Verrats entlocken. Michelina de Cesare wird übelst zugerichtet und schließlich durch Schüsse ermordet, um dann im nahe gelegenen Dorf öffentlich als Abschreckung zur Schau gestellt zu werden. Der Schuss geht aber nacht hinten los, die Bevölkerung ist schockiert. Die bestialische Ermordung und die in Umlauf gebrachten Fotografien mit ihrem geschundenen Körper machen sie betroffen und stärken den Widerstandsgeist gegen die Obrigkeit aufs Neue.


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