Julie D’Aubigny

*ca. 1673 Paris (Frankreich) †1707 ? (Frankreich)

Mit Julie D`Aubigny, zu Lebzeiten bekannt als Mademoiselle Maupin, einer berühmten Operndiva, berüchtigt als ausschweifende, Frauenehren schützende, männerkillende, bisexuelle Fechtmeisterin, haben wir zur Abwechslung keine historische Figur der unteren Gesellschaftsschichten im Fokus.

Le Diable au Corps

Julies Vater ist nicht nur ein dem Glücksspiel verfallener Säufer, sondern auch Privatsekretär des Grafen Armagnac, dem Hochadeligen aus dem Haus Lothringen und seines Zeichens Großstallmeister des (Sonnen)Königs Ludwig XIV. Daneben untersteht ihm die waffentechnische Ausbildung des französischen Adels – diese lässt er auch seiner Tochter ungeachtet ihres Geschlechts angedeihen. Darüber hinaus erhält Julie D\`Aubigny Unterricht in u.a. Lesen, Zeichnen, Reiten und Tanzen.

Sie ist bereits als Jugendliche eine großartige Fechttechnikerin, kleidet sich früh in Männergewand und genießt ansonsten die Vorteile ihrer Herkunft in vollen Zügen. Mit Vierzehn ist sie schon Meträsse des Großstallmeisters, der sie bald mit einem niederen Adeligen, dem Herrn Maupin, verheiratet, um diesen anschließend in die südlichen Provinzen zum Steuereintreiben abzukommandieren. Julie, nun verheiratet aber faktisch ohne ihren Gatten weiterhin in Paris lebend, kann sich noch mehr gehen lassen. Und sie tut es.

Das erste große Abenteuer ist die Flucht nach Marseille mit einem gewissen Sèrennes, der wegen Mordes in einem (illegalen) Duell gesucht wird. Auf dem Weg in den Süden lebt das Liebespärchen von Fechtunterricht und Gesangsdarbietungen in Kneipen. In Marseille angekommen, steigt sie in das kürzlich gegründete Opernensemble von Pierre Gaultier ein. Julie hat zwar keine singtechnische Ausbildung, ihre Stimme aber scheint außerordentlich gewesen zu sein. Und ihr forsches Auftreten ist über jeden Zweifel erhaben.

Des Sèrennes überdrüssig lächelt sie sich eine hübsche kleine Blonde an. Als die Eltern des Mädchens von dieser Liaison aufgeschreckt werden und die Tochter nach Avignon in ein Nonnenkloster stecken, folgt Julie am Fuße und schreibt sich selbst als Novizin in das Kloster ein. Eine gerade verstorbene Nonne wird in das Bett ihres Liebchens gelegt und, um die folgende Flucht zu kaschieren, das Zimmer kurzerhand in Brand gesteckt. Die Liebesflucht der beiden dauert drei Monate, dann wird die Gespielin wieder nach Hause geschickt. Mittlerweile ist die 17jährige Julie jedoch eine in Abwesenheit wegen Entführung, Leichendiebstahl und Brandstiftung zum (Feuer!)Tode verurteilte Person - offiziell als Mann, um die Familie des Mädchens öffentlich nicht zu kompromittieren.

Sie beschließt, stets in Männerkleidung, dabei jedoch niemals ihr wahres Geschlecht versteckend, der Loire entlang den Weg zurück nach Paris zu wagen. Bei einer Gelegenheit kommt es zu einem üppigen Fechtduell mit jungen, übermütigen Adeligen, das sie mit Bravour meistert. Einer der Geschlagenen, dem sie einen Stich durch die Schulter setzt, entpuppt sich als Sohn des Herzogs von Luynes. Die beiden verbringen anschließend drei Wochen gemeinsam im Bett, am Ende bleibt eine lebenslange Freundschaft.

Nach unzähligen weiteren amourösen Abenteuern und Duellen unterwegs erreicht Julie schließlich wieder die Hauptstadt. Der frühere Liebhaber und Gönner, der Großstallmeister Armagnac, erwirkt problemlos die Aufhebung des Todesurteils, der Sonnenkönig schmunzelt. Julie wird, nach einigen Widerständen, in das Ensemble der Pariser Oper aufgenommen. In kurzer Zeit steigt sie von einer Straßensängerin zur vielumjubelten Operndiva auf. Erstmalig in der Musikgeschichte überhaupt wird mit „Tancrède“ extra für ihre Stimmlage „Alt“ und nicht für eine Sopranstimme eine passende Oper geschrieben. Ihre Stimme gilt als „die süßeste auf der ganzen Welt“. Daneben das übliche, der Zeit und den Umständen entsprechende, ausschweifende Sex & Drugs - sie teilt Bühne und Betten mit den meisten ihrer KollegInnen und unternimmt sogar einen Selbstmordversuch, als ihr die wunderschöne Sängerin Fanchon Moreau die Liebe verweigert.

Dazwischen arbeitet sie heimlich als professionelle „Duellistin“. Im Laufe ihres Lebens hat sie zumindest zehn Männer ins Jenseits gestochen. Wie viele sie im Zweikampf besiegt und mit Degen und Pistole zu Krüppeln geschlagen oder geschossen hat, ist nicht bekannt. Bei einer Gelegenheit überspannt sie den Bogen - ausgerechnet beim Ball des Königs küsst sie am Tanzpodium innigst, wie stets in Männerkleidung stolzierend, eine allseits begehrte und von unzähligen Männleins umschwirrte blonde Schönheit. Drei der anwesenden Kerle fordern sie umgehend zum Duell heraus, Julie willigt ein. Minuten später hat sie alle drei - und zwar auf einmal - besiegt. Sie tritt stolz, aber wohlwissend um eine drohende Bestrafung, vor das Angesicht des Königs. Dieser lässt sie mit der Ausrede, dass sein Duellverbot nur für Männer gelte, entkommen. Sie nutzt die Chance und taucht, bis sich die Wogen glätten, eine Weile in Brüssel unter.

Nach Paris zurückgekehrt, beginnt Julie eine glückliche, mehrjährige Beziehung mit der Marquise de Florensac, der, wie es heisst, „schönsten Frau Frankreichs“. 1705, als die Marquise am Fieber stirbt, beendet Julie D\`Aubigny jäh ihre steile Opernkarriere und taucht in einem Kloster unter, in dem sie zwei Jahre später 34jährig aus unbekannten Gründen stirbt.


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